Wer nicht fähig ist, seine eigenen Toten zu betrauern, kann nicht ehrlich am Leid anderer teilnehmen. Das ist ein tragender Gedanke, von dem Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, sich leiten läßt.
Das 20. Jahrhundert war vor allem in seiner ersten Hälfte durch ein zuvor nie erlebtes Maß an Leid für die Völker Europas geprägt. Die Erinnerung daran wird vielfach fokussiert auf einen einzigen Ursprung für alle Menschenrechtskatastrophen der Folgejahre. Das klassische »vae victis« schwingt darin mit. Millionen von Deutschen, nämlich die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, gehören auch zu den Opfern. Sie hatten nicht nur den Verlust von Angehörigen, von Hab und Gut und der angestammten Heimat zu beklagen, sondern waren nicht selten einem Mangel an Mitgefühl und Solidarität der heimischen deutschen Aufnahmegesellschaft ausgesetzt. Eine Erfahrung, die sich auch in den Erinnerungen von Erika Steinbachs Mutter widerspiegelt.
Erika Steinbach macht eindringlich deutlich, daß die Tragödie der Vertreibung nicht nur die Betroffenen angeht, sondern auch die Solidarität aller Deutschen erfordert. Die Autorin zeigt auf, dass diese Vertreibung dauerhaft die Identität des ganzen deutschen Volkes berührt. Mutig und schlüssig wendet sie sich zudem gegen jegliche Relativierung der Vertreibung. Menschenrechte sind ihr auch für die deutschen Vertriebenen unteilbar. Für sie ist die Würde eines jeden Menschen unantastbar, egal welchem Volk er angehört.
Die europäische Dimension und Bedeutung dieses Vorganges wird beeindruckend aufgeblättert. Ob vor Studenten der Karls-Universität in Prag, der Wyszynski-Universität Warschau oder vor dem Deutschen Bundestag: Erika Steinbach zeichnet sich durch Kompetenz und Mut zur Wahrhaftigkeit aus. Im Anhang zu dem Buch kommen neben gewichtigen Medienstimmen auch engagierte Wegbegleiter zu Wort, insbesondere Peter Glotz. Bemerkenswert sind die Gemeinsamkeiten, die den verstorbenen SPD-Politiker mit der Autorin verbinden.
250 Seiten, gebunden.